Marokko – Letzter Teil, oder: Lang lebe der Müßiggang

Essaouira

Aus einem Tag in Essaouira sind mittlerweile sieben geworden.

Von Tag zu Tag machte ich weitere Abstriche von meiner Reiseplanung.

„Fahre ich halt nicht über die Grenze nach Mauretanien, sondern bleibe in der West-Sahara und schlafe noch eine Nacht hier.“

„Fahre ich halt nicht mehr in die West-Sahara,  sondern nur die Küste runter“

„Scheiß auf die Küste. Mache ich halt noch einen Kurz-Trip in die Umgebung und fahre dann zurück nach Marrakesch“

Und so weiter.

Mein Busticket, das ich mir am dritten Tag gekauft hatte, ist mittlerweile längst ungültig.

Anfängerfehler, erklärt mit Abdul. »Kauf dir dein Ticket erst, wenn du mit gepacktem Rucksack am Busbahnhof stehst, mein Freund«, rät er mir.

Anhand der zahlreichen Busfahrkarten, die neben den Einträgen im Gästebuch des Dar Afram kleben, kann ich sehen, dass ich nicht der einzige bin, der dem Müßiggang des Ortes verfallen ist.

Außer Essaouira werde ich also nichts mehr von Marokko sehen, denn übermorgen geht schon mein Flieger. Na gut, dann genieße ich halt hier noch einen Abend, fahre  morgen nach Marrakesch, übernachte dort und fliege dann ausgeruht nachhause.

Der übernächste Tag 

Scheiße.

Ich bin immer noch in Essaouira.

Was soll ich sagen, eins kam zum anderen und ehe ich mich versah, fuhren gestern Abend keine Busse mehr.

Nun war es nicht so, dass ich mich wirklich bemüht hätte, aber trotzdem.

Jetzt jedenfalls wird es ganz schön knapp. Ich muss den ersten Bus in Richtung Marrakesch erwischen und obendrauf noch hoffen, dass wir keine Staus haben, der Bus keine Panne hat, wir höchstens eine Pause machen und ich in Marrakesch direkt ein Taxi bekomme, damit ich es rechtzeitig zum Flughafen schaffe.

Während mir all diese Gedanken durch den Kopf schießen, wird im Hinterkopf eine kleine Stimme immer lauter, die mir versucht einzureden einfach hier zu bleiben.

Das würde mir zumindest den Stress ersparen.

Marrakesch

Ich habe es geschafft.

So gerade.

Ich musste zwar die älteren Muttis nach der Pause in den Bus schieben, damit wir schneller weiter kamen, aber die Damen haben mein Vorgehen als Hilfsbereitschaft interpretiert und mir sogar noch einen Keks gegeben.

Anschließend hab ich ein völlig überteuertes Taxi zum Flughafen bekommen, da ich keine Zeit hatte zu handeln.

Jetzt jedenfalls bin ich sicher durch den Zoll, habe das Gate verlassen und stehe in der Schlange vor dem Gateway zu meiner Maschine.

So ganz will ich noch nicht realisieren, dass ich mich tatsächlich auf dem Rückweg nach Deutschland befinde.

Mein Kopf dröhnt von den tausenden von Eindrücken, die ich in den letzten Tagen und Wochen gesammelt habe. Von den Gerüchen, den Farben und den Geräuschen von einem Monat Marokko. Einem Land, in dem Armut und Reichtum dicht beieinander liegen und das sich im  ständigen Spagat zwischen Tradition und Fortschritt befindet.

Die Gespräche die ich geführt habe hallen in meinem Gedächtnis nach. All die Unterhaltungen mit Abdul, dem wohl entspanntesten Hotelbesitzer Afrikas, wenn nicht der Welt  (Siehe: Marokko – Teil 10), mit Raoul, dem Haschischbauern aus dem Rif-Gebirge (Siehe: Marokko – Teil 8), mit Dregeba, dem Nomaden aus der Sahara (Siehe: Marokko – Teil 3), dem Hinterhof-Schamanen Nasir (Siehe: Marokko – Teil 5) oder Miguel, dem kiffenden Zauberer aus Chefchaouen (Siehe: Marokko – Teil 7).

Wenn sie mich nicht gerade umbringen ( Siehe: Marokko – Teil 9)  oder mir einen überteuerten Perserteppich andrehen wollten (Siehe: Marokko – Teil 1), habe ich die Marokkaner als weltoffene, lebensfrohe, bunte und gastfreundliche Menschen kennengelernt, die mich als Fremden in ihr Haus einluden, sich von Sprachbarrieren nicht abschrecken ließen mit mir zu reden, die ihr Essen mit mir teilten,  selbst wenn sie nicht viel hatten und als Menschen, die mir trotz der kulturellen Unterschiede niemals fremd waren.

Auch wenn ich mich auf mein eigenes Bett und ein paar andere Kleinigkeiten freue, die ich während meiner Reise vermisst habe, fällt mir der Abschied schwer. Bevor ich ins Flugzeug steige, drehe ich mich noch einmal auf der Gangway um, sehe die Palmen und die lehmfarbenen, rötlichen Mauern des Flughafens von Marrakesch und verabschiede mich von Marokko mit dem Versprechen an mich selbst, bis zu meiner nächsten Reise hierher nicht zu lange zu warten.

Bis bald Marokko, inschallah!

Zurück nach Hause

StepMap Zurück nach Hause

 

Epilog

Düsseldorf

Viel zu lange nicht geschlafen und direkt am Flughafen mit einem rassistischen Taxifahrer konfrontiert, der

a) nicht verstehen kann, wieso ich ausgerechnet nach Marokko gereist bin.

b) sowieso nicht verstehen kann, wieso man Urlaub außerhalb von Deutschland (ausgenommen Mallorca) machen kann.

und c) ohnehin nicht viel versteht. Von allem.

Er schwadroniert und hetzt also während der gesamten Fahrt munter vor sich hin, obwohl ich ihn mehrmals bitte, einfach ruhig zu sein. Ich bin zu gerädert, um ernsthaft mit ihm zu diskutieren. Außerdem befürchte ich, dass sein kleines Nazihirn kollabieren würde, wenn ich ihn mit so etwas wie Fakten konfrontieren und er dadurch womöglich noch gegen einen Baum fahren würde.

Ich bin daher froh, als die Fahrt endlich vorbei ist und ich aussteigen kann.

Ich schultere meinen Rucksack und gebe dem Taxifahrer die letzten Euros, die ich noch vom Anfang meiner Reise im Seitenfach meiner Kameratasche habe. Mein Portemonnaie ist noch voll marokkanischem Kleingeld.

Zum Glück reicht es, wenn auch nur so gerade.

„Gibt man in Marokko kein Trinkgeld, oder was?“, pflaumt er mich an, als ich ihm das Geld in die Hand gebe.

„Doch schon, aber nicht solchen Arschlöchern wie dir“, denke ich mir.

„Doch schon, aber nicht solchen Arschlöchern wie dir“, sage ich und renne weg.

Ich übernachte bei meiner lieben Freundin Svea, die sich netterweise erbarmt hat mich für einen Abend aufzunehmen. Im Schwesternwohnheim des Universitätsklinikums Düsseldorf. Ich rieche nach einer intensiven Dusche zwar mittlerweile nicht mehr so schlimm wie während des Großteils meiner Reise, kann aber anhand der Blicke ihrer MitbewohnerInnen  sehen, dass mein Odeur wohl trotzdem noch nicht  ganz gesellschaftsfähig ist.

Der Geruch scheint in meine Kleider gezogen zu sein. Bevor ich mich also schlafen lege,  lege sie auf einen Haufen, packe den Haufen zusammen mit meinen Schuhen in eine Plastiktüte, knote diese zu und stelle sie auf den Flur.

Am nächsten Morgen wache ich von einem lautstarken Gespräch vor der Tür auf.

Zwei der Krankenpfleger unterhalten sich darüber, warum der Flur so stinkt.

Schön wieder zuhause zu sein.

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